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Da steht ein Pferd auf’m Campus!

200 Jahre Julius Kühn
Fotograf Maximilian Zeitler beim Shooting mit Nussbaum | Foto: Maike Glöckner
200 Jahre Julius Kühn
Nussbaum und GOW René Gebhardt am Steintor-Campus | Foto: Maike Glöckner
200 Jahre Julius Kühn
Nussbaum und Renate Schafberg vor dem Kühn-Museum | Foto: Arila Perl
200 Jahre Julius Kühn
Fotograf Maximilian Zeitler mit historischer Technik | Foto: Maike Glöckner
200 Jahre Julius Kühn
Im Vergleich: eine neu entstandene Aufnahme von Nussbaum und eine historische Aufnahme | Foto: Maike Glöckner
200 Jahre Julius Kühn
Entwicklung der 13 mal 18 cm großen Fotoglasplatten | Foto: Maike Glöckner, L. Marbach
200 Jahre Julius Kühn
Vortrag von Renate Schafberg zum Leben von Julius Kühn | Foto: Maike Glöckner
200 Jahre Julius Kühn
Nussbaum zur Feier 200 Jahre Julius Kühn in Halle | Foto: Arila Perl

Mit einem besonderen Nachmittag hat das Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen (ZNS) der MLU am Donnerstag auf dem Steintor-Campus den 200. Geburtstag des Agrarwissenschaftlers Julius Kühn begangen. Ungewöhnlich war der Hauptgast: der Rheinisch-Deutsche Kaltbluthengst namens Nussbaum.

Nussbaum, fünf Jahre alt und im sächsischen Landgestüt Moritzburg zuhause, hat an diesem Nachmittag eine ungewöhnliche Rolle: Er ist das Model bei einem Fotoshooting, wie es so mit seinen Artgenossen auch schon vor rund 150 Jahren stattgefunden hat. Damals entstanden zu Forschungszwecken mehrere tausend Fotoglasplatten in dem von Julius Kühn begründeten Haustiergarten auf dem heutigen Steintor-Campus. Tiere waren im Gegensatz zu heute dort ein gewohnter Anblick, bis zu 1.000 lebten zeitgleich auf dem Areal. Die Fotoplatten liegen mittlerweile als Sammlung im ZNS und sind national geschütztes Kulturgut. Die Situation ihrer Entstehung wird zum 200. Geburtstag Kühns mit Nussbaum am originalen Standort nachgestellt. Der Berliner Fotograf Maximilian Zeitler bannt den Hengst und ausgewählte Gäste auf 13 mal 18 Zentimeter große Fotoglasplatten. Er nutzt dazu eine Kamera, deren Objektiv aus dem Jahr 1852 stammt, wie er erzählt.

Was für das Shooting neben der historischen Technik auch nötig ist: etwas Geduld. Ein bis zwei Sekunden Belichtungszeit werden für die speziellen Fotos benötigt. Eine Zeit, für die es klare Devise gibt: „Nicht bewegen!“ Bei Nussbaum klappt das schon in der Generalprobe mit einem kleinen Trick. Landstallmeisterin Dr. Kati Schöpke spielt mit dem Smartphone das Wiehern eines fremden Pferdes vor. Dann steht Nussbaum nicht nur ruhig. „Er spitzt auch die Ohren und schaut interessiert“, erklärt sie – ein besonders beeindruckendes Fotomotiv mit dem bereits preisgekrönten Vertreter einer Rasse, die heute als existenzgefährdet gilt. 

Während die Fotosession draußen noch ebenso interessierte wie überraschte Blicke auf dem Campus auslöst, startet im ehemaligen Hörsaal des von Kühn aufgebauten Landwirtschaftlichen Instituts ein weiterer Teil der Geburtstagsfeier. Gäste kommen unter anderem aus der Politik wie Vize-Landtagspräsidentin Anne-Marie Keding und Landtagsabgeordneter Hendrik Lange, aber auch aus der Wissenschaft, von Verbänden und Institutionen. Warum ausgerechnet das ZNS Gastgeber ist? „Er hinterließ unserer Einrichtung die weltbeste, die weltgrößte, einmalig dokumentierte Skelettsammlung von Haustieren“, sagt ZNS-Leiter Dr. Frank Steinheimer. Mit Skeletten unter anderen von 821 Rindern, 3.214 Schafen, 302 Ziegen, 122 Pferden und 824 Schweinen. 20.000 Wollproben von Schafen gibt es heute im ZNS, Tausende Fotoglasplatten und Glas-Dias. Und 144 Lehrmodelle, darunter das berühmte Pferdemodell des französischen Anatomen Dr. Louis T. J. Auzoux. Kühns Erbe sei bis heute eine „wichtige Forschungsinfrastruktur“, nicht nur für die Tierzucht, sagt Prof. Dr. Matthias Müller-Hannemann, Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät III, zu der heute die Agrarwissenschaften gehören. Er würdigt zugleich Kühns Blick auf das Ganze: auf die Ökonomie ebenso wie auf Pflanzen und Pflanzenkrankheiten sowie Tierzucht. Die Kustodin der Haustierkundlichen Sammlung Dr. Renate Schafberg gibt einen Überblick über das Leben des Wissenschaftlers, der zu Beginn seiner Forschungen noch als „Mikroskopen-Amtmann“ belächelt wurde, wie sie sagt.

Am Ende der Feier spielt ein zweites Tier eine besondere Rolle – auch wenn es nicht mehr lebt: Milchkuh Betty. 1972 wurde sie in der DDR geboren, mit einer Lebensmilchleistung von 131.840 Kilogramm war sie auf Weltspitzenniveau. Bettys Skelett ist seit ihrer Einschläferung Teil des Haustierkundemuseums der MLU. Eine Dermoplastik ihres Kopfes hing jahrelang an ihrem Zuchtort in Bernburg-Strenzfeld, zuletzt in einem Museum der Rinderallianz GmbH in der Altmark. Mit ihrer Unterschrift besiegeln Steinheimer und der Präsident der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt Prof. Dr. Falko Holz, dass Dermoplastik und Skelett künftig gemeinsam im Haustierkundemuseum der MLU hängen. Ein besonderes Geschenk für einen besonderen Nachmittag an Julius Kühns 200. Geburtstag. 

Auch das Fotoshooting mit Nussbaum erweist sich übrigens als erfolgreich: Nicht nur Frank Steinheimer ist beim Anblick der Platte neben einem historischen Vergleichsexemplar mit einem Schwein beeindruckt.

Text: 24.10.2025 von Katrin Löwe in Varia
Vorgestellt wurde Nussbaum von GOW René Gebhardt und GOW Markus Wendt